Ebersdorfer Dorfgeschichten

Wie's damals gewesen, ist heute zu lesen.

Alte DorfgeschichtenBand 4 - 1990

Ein Sommertag am Dornheimsbrunnen

Autor: Heinz Faber
Veröffentlicht: 1990

Am Waldrand im Flurteil Michelsgraben sprudelt ein Brünnlein, das immer mehr in Vergessenheit gerät. Es liegt etwas abseits von den Wander- und Fahrwegen. Fragt man in Bekanntenkreisen nach, haben die meisten schon den Namen gehört oder waren früher einmal dort; aber wenn man nach dem Weg fragt, kommen die Antworten schon zögernder. Ende der 20er oder Anfang der 30er Jahre war es anders. Welcher Ebersdorfer oder Frohnlacher und selbst Einwohner in unseren Nachbargemeinden hat bzw. haben nicht an einem Dornheimsfest teilgenommen?

Ein Familienname für die Quelle und noch dazu kein Ortsansässiger? Es war der Jagdpächter Dornheim aus Coburg, der sich diesen ruhigen Platz ausgesucht hatte. Eine Hütte mit zwei gut eingerichteten Zimmern sorgte für einen angenehmen Aufenthalt und das Plätschsern des Brünnleins für die gemütliche Stimmung.

Doch einmal im Jahr war es mit der Ruhe vorbei. Freunde des SC Sylvia richteten im Sommer ein Fest aus, das der Kirchweih gleichgestellt werden konnte. An einem Sonntag zog jung und alt in Richtung Brünnlein, es war eben etwas Besonderes – ein Waldfest. Ein Fest für die Jüngeren zum Kennenlernen neuer Freunde oder Freundinnen, für die Älteren eine Abwechslung aus dem Alltagstrott. Mancher hat bei diesem Fest seinen Partner fürs Leben gefunden, und die späteren gemeinsamen Erinnerungen begannen eben am Dornheimsbrunnen.

Auf einem kleinen Podium hatte die Musik ihren Platz, und gleich daneben war mit Brettern eine Tanzfläche gezimmert. Eine Abgrenzung mit Stangen mußte sicherstellen, daß bei dem Gedränge keiner von der Tanzfläche in den anschließenden Teich fiel. Einen Sitzplatz hatte nur, wer schon frühzeitig kam und nicht mehr aufgestanden ist. Doch der flache Abhang bot genügend Platz, und eine Zeitung zum Unterlegen hatte in dieser Zeit jeder dabei. Einige Stände mit Schleckereien – mir sind vor allem noch die Lakritzenstangen und der „Bärendreck“ in Erinnerung – und Spielsachen für die Kinder boten weitere Abwechslung. Die Bratwürste waren schon von weitem zu riechen, und die kleine Rauchfahne zeigte den Weg. Bier gab es natürlich in jeder Menge. Der Brauereibesitzer Albin Brehm, dem auch der Grund gehörte, hatte genügend vorgesorgt. Der Bierhahn brauchte nicht geschlossen zu werden, ein Glas oder Krug folgte dem anderen.

Die sommerliche Temperatur, die vom Tanz erhitzten Gesichter und die Promille im Blut zeigten ihre Wirkung. Ein kleiner Anlaß oder auch keiner – nur um seine Stärke zu beweisen – genügte, um die vorprogrammierte Schlägerei einzuleiten. Sie war ein Bestandteil des Festes. Zwei fingen an, und in wenigen Sekunden waren 30 oder mehr dabei. Es kam nicht darauf an, auf wen eingeschlagen wurde; Hauptsache, es wurde einer richtig versohlt. Dabei wechselte der Verdroschene schnell. Der Schläger wurde schnell zum Geschlagenen.

Unsere Nachbarsfrau, die mich 6jährigen Buben zum Fest mitgenommen hatte, schrie plötzlich auf „Die ham mein Bum!‘ ‚. Sie ließ mich abseits stehen und stürzte sich resolut in das Knäuel von Menschenleibern. Die verdutzten Männer hielten inne, denn soweit wollte man doch nicht gehen, sie gaben lieber ihr Opfer frei. Zerrissen und zerschlissen stand er da, der ja auch nur einen anderen versohlen wollte. Die Stimmung war natürlich vorbei. Die Frauen zogen mit ihren Kindern ängstlich davon, die gehfähigen Männer folgten oder auch nicht, und die Kämpfer wurden müde. Die Bilanz am folgenden Tag war weniger erfreulich. Einige Männer waren zu Hause nicht angekommen, sie fanden sich aber in den folgenden Tagen ein; auch Suchtrupps mußten eingesetzt werden. Es war eben wieder ein wunderbares Fest!

Nach den Waldfesten in den 20er und 30er Jahren wurde es ruhiger um den Brunnen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen Sportfreunde des SC Sylvia die alte Tradition wieder auf, und für den in die Jahre gekommenen Max Kalb, der über 30 Jahre lang Jagdaufseher beim Jagdpächter Dornheim war, ging ein Lebenswunsch in Erfüllung.

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Ein Gedanke zu „Ein Sommertag am Dornheimsbrunnen

  • Karin Niepelt

    Wir drei Kalbsmädels sind oft mit Opa Max und Familie zum Dornheimsbrunnen gewandert. War eine schöne Zeit.

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